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Europa_in_BW

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Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Europa in Baden-Württemberg

50 Jahre · ein Panorama Portr?ts · Ostflüchtlinge Deutsche und Franzosen Tübingen 1945-92 · Partnerschaften Europa in der Schule · Kulturtage Architektur · Wirtschaft · Verkehr

Ballettwunder · Musik Sport · Regio TriRhena Hochschulpartnerschaften

EU-Projekte · Jugendcharta

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Herausgeber:

Landeszentrale für politische Bildung

Baden-Württemberg,

Direktor Siegfried Schiele

Redaktion:

Dr. Walter-Siegfried Kircher

Beirat:

Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart,

Günter Gerstberger

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport,

Klaus Happold, Ministerialrat

Prof. Dr. Lothar Burchardt,

Universit?t Konstanz

Dietrich Rolbetzki,

Oberstudienrat, Filderstadt

Lothar Schaechterle,

Studiendirektor, Stetten i. R.

Landeszentrale für politische Bildung,

Dr. Walter-Siegfried Kircher

Anschrift der Redaktion:

70184 Stuttgart, Stafflenbergstra?e 38,

Telefon (0711) 164099-43/-45,

Telefax (0711) 164099-77

E-Mails der Redaktion:

walter.kircher@lpb.bwl.de

sylvia.roesch@lpb.bwl.de

Deutschland&Europa erscheint zweimal im Jahr Jahresbezugspreis 6,– Euro

Preis der Einzelnummer: 3,– Euro

Satz:

Vaihinger Satz + Druck GmbH

71665 Vaihingen

Druck:

Reclam Graphischer Betrieb GmbH

71254 Ditzingen

Auflage: 12000

Redaktionsschluss: Januar 2002

Namentlich gezeichnete Beitr?ge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers oder

der Redaktion wieder.

Nachdruck oder Vervielf?ltigung auf elektronischen Datentr?gern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung und Behindertenf?rderung und der Robert Bosch Stiftung.PUZZLE EUROPA Das Europa-Puzzle

für Gruppen Ausgabe 2001

17,50 E

(25,–E)

I n h a l t I n h a l t

Europa in Baden-Württemberg

50 JAHRE · ein Panorama

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 Geleitwort des Kultusministeriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 Autorinnen und Autoren, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Panoramabilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4

Fünf Portr?ts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 Die Integration der Ostflüchtlinge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Feinde – Gegenspieler – Freunde: Deutsche und Franzosen im Südwesten . . . . . . . . . . . . . . . . .14 Garnisonsstadt Tübingen 1945-1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 50 Jahre Partnerschaften von Gemeinden und Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .22 Europa in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Europ?ische Kulturtage in Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 Architektur mit europ?ischer Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30

Panoramabilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34

Wirtschaft: ?Offene Grenzen, moderne Welt, historische Landschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 Internationaler Verkehr in Baden-Württemberg: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft . . . . . . .40 John Cranko und das Stuttgarter ?Ballettwunder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44 Musik und Jugendkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48 Sport verbindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .52 RegioTriRhena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 Hochschulpartnerschaften – Brücken über den Rhein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 EU-F?rderprojekte: das Stuttgarter YIPLine-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 Jugendcharta für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 Bildnachweis, LpB: Ankündigungen, Programme, Aktivit?ten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 Adressen, Nachfragen, Bestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .4 U

V o r w o r t

Vo r w o r t d e s H e r a u s g e b e r

s

Dies sind nur einige willkürlich herausgegriffene Beispiele von vielen aus dem vorliegenden Heft, die zeigen,in welchem Ma?e Einflüsse von au?en in den letzten Jahrzehnten den deutschen Südwesten mitgestaltet,gepr?gt, bereichert und ver?ndert haben. Mit der für alle greifbaren Einführung des Euro in den Alltag der Menschen ab 2002 erh?lt Europa in ihrem Bewusstsein eine unmittelbare Pr?senz, die zun?chst nicht von allen als Gewinn begrü?t werden wird. Aber auf lange Sicht, so ist zu hoffen, wird auch dieser europ?ische Meilenstein zu einer Erfolgsgeschichte, so wie es viele der hier dargestellten ?Einwirkungen von au?en? geworden sind.

In lockerer, nicht immer chronologischer Abfolge blendet diese Ausgabe von DEUTSCHLAND & EUROPA bis auf die Anf?nge Baden-Württembergs nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Die Beitr?ge, die keine Voll-st?ndigkeit beanspruchen, zeigen facettenhaft die vielfachen internationalen Verflechtungen in Geschichte,Politik, Kultur, Wirtschaft, Architektur, im Verkehrswesen, Sport und in der Musik. Personen werden skizziert oder geben Selbstportr?ts. Grenzüberschreitende, v?lkerverbindende Projekte, gerade auch unter Jugend-lichen, einer Hauptzielgruppe dieser Zeitschrift, stellen sich vor.

Herausgeber, Autorinnen und Autoren sowie Redaktion sind sich bewusst, dass diese Mosaiksteine nur einen Bruchteil von Europa in Baden-Württemberg widerspiegeln k?nnen. Sie hoffen, das Panorama bietet jedoch Anreiz genug, im eigenen Umfeld nach weiteren Beispielen zu suchen, einen offenen Blick für das europ?isch gewandelte Baden-Württemberg zu bewahren oder zu entwickeln. Vielleicht kann das Doppelheft, welches mit Blick auf das Landesjubil?um 2002 erscheint, ein kleines Scherflein dazu beisteuern. Es ist zu wünschen,dass es nicht nur im Rahmen der in den Lehrpl?nen verankerten Europathemen, sondern auch bei Projekt-tagen und weiteren Schulveranstaltungen zu den 50-Jahrfeiern und darüber hinaus eingesetzt wird.

Siegfried Schiele

Direktor der Landeszentrale für politische Bildung

Baden-Württemberg

??E uropa in B aden-W ürttemberg? gewinnt in den vergangenen Jahren neue Dimensionen bei

Schul- und St?dtepartnerschaften. Beim Einsatz

der neuen Kommunikationstechnologien geht

das Land mit dem vom Kultusministerium

initiierten Modell ?Schulen auf Draht? für die

Bundesrepublik beispielhaft voran, Schulen aus

dem Südwesten vernetzen sich mit Schulen aus

ihren europ?ischen Partnerregionen.

?Thema der Europ?ischen Kulturtage in Karlsruhe

2002 ist der ?Mythos Europa??.

?Den ?Europ?ischen Solarpreis? 1994 erhielt ein

Ingenieurbüro aus Südbaden.

?Ein in Südafrika geborener Londoner hatte sich

in den sechziger Jahren zum Ziel gesetzt, ?aus

diesem Nest (Stuttgart) das beste Ballett Deutschlands? zu machen. ?Gelebte Inter-nationalit?t? ist in dieser Stadt inzwischen das Markenzeichen auch bei der Ausbildung des Nachwuchses.??Unser Wohlstand h?ngt vom Export ab?, dies ist für Baden-Württemberg l?ngst eine unumstrittene Tatsache. ?Weniger bekannt ist jedoch, dass ?ausl?ndi-sche? Unternehmen einen erheblichen Beitrag für die Wirtschaft Baden-Württembergs er-bringen und zwischen 280 bis 340 Tausend Personen bei ihnen einen Arbeitsplatz finden. ?Die Erkenntnis, Sport habe auch eine v?lker-verbindende Funktion, wird innerhalb der Euro-p?ischen Union auch von Baden-Württemberg mit zahlreichen Projekten in die Praxis um-gesetzt.

B E S S E R E S I

C H T M I T

D E M E U R O PA B L I C K

F ün f P o r t r ?t s

und kein Ort. Heimat ist nicht vererbbar und sie ist auch nicht durch eine bessere wirtschaftliche Situation als am Geburtsort materiell erwerbbar. Somit ist Heimat für mich keine Materie, keine Koordinate und kein Zustand,sondern ?nur? ein Gefühl und zwar eines der best?ndigsten, welches ich überhaupt kennengelernt habe. Mein Heimatgefühl wurde aufgezogen und gen?hrt durch andere Menschen, durch meine privaten, schulischen oder ge-sch?ftlichen Beziehungen zu ihnen, durch die Summe gemeinsamer Erleb-nisse und vor allem durch unsere gleichen Lebensziele. Ich bin diesen Men-schen zutiefst dankbar, dass sie aus meinem Geburtsland mein Heimatland gemacht haben. Durch meine Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten bin ich vielen Menschen begegnet, die dieses Glück nicht hatten und nur noch von dem Wunsch besessen sind, ihr Geburtsland zu verlassen, um endlich eine Heimat in der Ferne zu finden.Mein Vater-Land liegt im Balkan, im ehemaligen Jugoslawien. Dies liegt da-ran, dass es das Geburtsland meines Vaters ist und er dort lange Zeit eine Heimat hatte. Mein Vaterland sollte mir eigentlich meine ethnische und natio-nale Herkunft attestieren. Dies gestaltete sich jedoch im Laufe der letzten 10 Jahre als ?u?erst schwierig, da sich mein Vaterland wie eine b?sartige Krebszelle permanent teilte, Krieg und Zerst?rung vermehrte und w?hrend dieses Prozesses meine Staatszugeh?rigkeit von Jugoslawin auf Bosnierin,von Bosnierin auf Kroatin, von Kroatin auf Bürgerin der serbischen Republik wechselte. Da das deutsche Innenministerium nicht festlegen konnte, wel-chem Staat ich nunmehr angeh?re und welcher Staat mich entlassen k?nnte (was die Vorbedingung zum Erhalt der deutschen Staatsangeh?rigkeit ist),wurde ich kurzfristig staatenlos. Staatenlos zu sein, selbst für eine kurze Zeit,bedeutet seine Freiheit zu verlieren: man kann an keinem politischen Prozess teilnehmen und w?hlen, man kann nicht reisen und sich problemlos legitimie-ren. Als ich mich 1992 an der Universit?t Stuttgart immatrikulierte, stand in meinem Studienbuch unter Staatsangeh?rigkeit: ?ungekl?rt?.Mein Zukunfts-Land ist Europa. Es besteht aus Staaten, die sich ehemals bekriegten und deren Geschichte, Kulturen und Sprachen nicht unterschied-licher sein k?nnten. Es hat mehr Grund und mehr Chancen als jedes andere Land der Welt, um aus seiner Vergangenheit zu lernen und daraus eine bes-sere Zukunft für seine Bürger und die Menschheit zu gestalten. Europa steht für ein demokratisches, tolerantes und freiheitliches Leben aller gleichgesinn-ten Kulturen. Wie (über-) lebenswichtig eine starke und solidarische Gemein-schaft ist, erkennt man dann, wenn diese Ideale durch Krieg, Terrorismus und Fundamentalismus angegriffen werden und das Leben jedes einzelnen Menschen gef?hrdet ist.Der gr??te Feind Europas sitzt jedoch in den eigenen Reihen, dort wo multi-kulturelles Leben als Bedrohung und gemeinsames Handeln als Schw?che

und Unterwerfung angesehen wird.Gründung:1992 in Stuttgart mit dem

Ziel medizinische und psycho-soziale

Projekte für Kinder und Jugendliche

in Kriegs- und Krisengebieten in der

ganzen Welt durchzuführen

Sitz des Vereines:

Stuttgart und New York

Einsatzgebiete:Bosnien-Herzegowina,

Kosovo, Kroatien, Mazedonien,

Republik Serbien, Ruanda, Serbien

Internationale Registrierungen:

U.S.A.I.D. (Entwicklungshilfe-

ministerium der Vereinigten Staaten

von Amerika),

ECHO (Humanit?re Hilfe der

Europ?ischen Union)

D.Z.I. (Spendensiegel des Deutschen

Zentralinstituts für Soziale Fragen)

?ffentliche Geldgeber: Ausw?rtiges

Amt der BRD, UNHCR (Flüchtlingshoch-

kommissariat der Vereinten Nationen),

Land Baden-Württemberg (Koordinie-

rungsstab für Osteuropahilfen)

Spendeneinnahmen:

15 Mio. DM (1992-2001), hiervon

90% private Spenden und

10% ?ffentliche Gelder

Mitarbeiter:stammen aus 15 ver-

schiedenen Staaten (Balkanstaaten,

EU-Staaten, Israel, Japan, USA, ...)1

Stipendien und Preise:1988 Stipendiat im Schriftstellerhaus Stuttgart 1989 Literaturstipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg e.V .1994 Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin 1995 Arbeitsstipendium des F?rderkreises Deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg 1996 Aufenthaltsstipendium der Kulturstiftung Niederlande-Deutschland in Amsterdam 1996/1997 Stipendiat der Kurt-Tucholsky-Stiftung Hamburg 1997 Adelbert-von-Chamisso-Preis der Robert Bosch Stiftung 2001 Dresdner Stadtschreiber Bibliographie (Auswahl) Buchpublikationen:Auf-Bruch.Lyrik. Verlag Das Arabische Buch. Berlin 1987 Heimatt und andere Fossile Tr?ume.Lyrik. Verlag Das Arabische Buch,Berlin 1989Weil ich dieses Land liebe.Lyrik. Verlag Das Arabische Buch, Berlin 1991Vater unser in Lima.Lyrik. Heliopolis-Verlag, Tübingen 1991Gastling.Lyrik. Verlag Das Arabische Buch, Berlin 1993Austernfischer, Marinero, Vogelfrau. Liebesgedichte und andere Miniaturen.Verlag Das Arabische Buch, Berlin 1997Duende.Meine Ballade in drei Versionen. Drey-Verlag, Gutach 1997Fernlautmetz.Lyrik. edition suhrkamp, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2000CD:

Lyrik oder Gesang!FenderTon, Stuttgart 1997

Fernlautmetz. FenderTon, Stuttgart 1999

Nationale Identit?t

Ja

in meinem spanischen Reisepa?

steht folgende Nummer:

EC00835133

in Deutschland gezeugt

aus Spanien importiert

seither trage ich eine unsichtbare

T?towierung einzusehen

in irgendeinem Archiv

Zahlen sind doch v?lkerverbindend

und ich darf existieren

seit wir

diese sonderbare Mischung sind

aus Kennummer und gültigem

Stempel dürfen wir hier leben

Danke

wie h?tte ich sonst jemals erfahren

wer ich bin

EC00835133(Aus: Auf-Bruch, 1987)

Lesebrücke:

Adelbert-von-Chamisso-Preis

der Robert Bosch Stiftung:

Seit 1985 werden mit dem Adelbert-

von-Chamisso-Preis bedeutende

Beitr?ge von Autoren nicht deut-

scher Herkunft und Muttersprache

zur deutschen Literatur gewürdigt.

Der Preis wird allj?hrlich von der

Bayerischen Akademie der Sch?nen

Künste in München verliehen.

Insgesamt 35 Schriftsteller haben

seitdem den mit 25 000 bzw.

10 000 DM dotierten Adelbert-

von-Chamisso-Literaturpreis oder

F?rderpreis erhalten.2José F . A. Oliver andalusischer Herkunft, wurde 1961 in Hausach im Kinzigtal (Schwarzwald) geboren. Nach dem Studium der Romanistik,Germanistik und Philosophie in Freiburg i.B. lebt er als freier Schriftsteller in seiner Heimat-stadt. Er ist zweisprachig auf-gewachsen, und ihm ist neben Spanisch, Deutsch und Franz?-sisch auch das Alemannische vertraut. Seine Lyrik-Collagen werden lebendig durch den pers?nlichen Vortrag, begleitet von Gitarrenmusik. 1987 erscheint sein erster Lyrik-Band ?Auf-Bruch?, dem weitere Lyrikver?ffentlichungen folgen. Viele Lesereisen führen ihn ins In- und Ausland, unter anderem nach Belgien, in die Niederlan-de, nach Italien, ?sterreich,Spanien, in die Schweiz, die Türkei, nach Kanada und Süd-amerika, in die USA und nach Australien. Seine Arbeiten wur-den in viele Sprachen übersetzt.??…w i e h ?t t e i c h s o n s t j e m a l s e r f a h r e n ,w e r i c h b i n

M

ein Gro?vater geh?rt der ersten Generation

der Gastarbeiter an. Bevor er nach Deutschland kam,

lebte er mit seiner vielk?pfigen Familie in einem kleinen

Dorf in Sinop am Schwarzen Meer. Er hatte Schwierigkei-

ten damit, seine Familie versorgen zu k?nnen und ver-

schuldete sich. Also entschied er sich, im Ausland zu ar-

beiten. Damals hie? es: ?In Deutschland gibt es Arbeit und

man kann dort gut Geld verdienen!? Also ab nach

Deutschland.

Da er keine offizielle Einladung zur Gastarbeiterschaft hat-

te, probierte er, über Jugoslawien nach Deutschland zu

kommen. Dort wurde er von den Grenzbeamten abgefan-

gen und in die Türkei zurückgeschickt. Schlie?lich lud ihn

sein Bruder, der bereits in ?sterreich lebte, zu sich ein. Ein

Jahr arbeitete mein Gro?vater in ?sterreich. Mit Hilfe von

Freunden und Bekannten wurde er nach Deutschland ein-

geladen. Somit erreichte er 1970 endlich sein Ziel.

Hier wurde er freundlich aufgenommen und fand schnell

eine Arbeitsstelle als Bauarbeiter, sp?ter in einer Holzfa-

brik. Seine eigentliche Absicht war es, so wie die aller

Gastarbeiter, eine Zeit lang in Deutschland zu arbeiten,

dann aber wieder in sein Heimatland zurückzukehren.

Nach und nach holte er seine S?hne hierher, darunter mei-

nen Vater, der erst 15 Jahre alt war. Gemeinsam wollten

sie Geld für das geplante Haus in der Türkei sparen, worin

sie nach ihrer Rückkehr wohnen sollten. Aus dieser Ab-

sicht, Geld zu sparen, wurden mehrere Jahre, sogar Jahr-

zehnte.

Seine S?hne wurden in der Türkei verheiratet und Enkel-

kinder kamen auf die Welt. Seine Schwiegert?chter halfen

ihrer Schwiegermutter auf dem Feld in der Türkei, w?h-

rend die S?hne mit ihrem Vater in einer Firma in Deutsch-

land arbeiteten. Jedes Jahr fuhren sie ein- bis zweimal in

das Heimatland, um Familie und Freunde wieder zu se-

hen. Es wurden Fahrgemeinschaften gebildet, um hohe

Fahrtkosten zu vermeiden. Der sonstige Kontakt zur Fa-

milie bestand aus Briefen, da telefonische Verbindungen

in ein kleines Dorf in der Türkei noch nicht m?glich waren.

Meine Mutter hat die damaligen Briefe meines Vaters bis

heute noch aufbewahrt.

Mit der Zeit hielt mein Vater die Sehnsucht nach meiner

Mutter und seinem neugeborenen Sohn nicht mehr aus

und holte sie beide zu sich. Mit einem Teil des gesparten

Geldes kauften sie sich ein kleines Haus und begannen

gemeinsam ein neues, nicht allzu leichtes Leben in einem

fremden Land. Zwar gelang es meinem Vater durch die

Hilfe seiner deutschen Arbeitskollegen sich zu verst?ndi-

gen, jedoch tat sich meine Mutter sehr schwer damit.

Besonders problematisch wurde es für sie, nachdem

sie weitere Kinder bekam. Wurden sie einmal krank und

waren auf ?rztliche Hilfe ange-wiesen, musste sie auf meinen Vater warten, der wiederum musste sich ein paar Stunden freinehmen, um einen Arzt auf-suchen zu k?nnen, bevor die Praxis schloss.Ein weiteres Problem tauchte auf, als die Kinder schulpflichtig wurden. Die Sprachschwierigkei-ten führten zu Problemen in der

Schule. Für die dortigen Lehrer waren wir Ausl?nder und alle gleich schlecht. Unterschiede zwischen erfolgreichen und schlechten Schülern wurden nicht wahrgenommen. Man be-schr?nkte sich auf Hauptschulen. Sogar Sonderschulen wurden ausl?ndischen Kindern nahezu aufgedr?ngt, ob-wohl es meist nicht an der Leistung, sondern an der deut-schen Sprache mangelte. H?tte mein Vater damals nicht seine Rechte erk?mpft, so w?re der Traum einer gl?nzen-den Karriere von vorneherein geplatzt. All’ seine Kinder haben die angemessene Leistung letztendlich mit Aus-zeichnungen vollbracht.Als der ?lteste Sohn 18 wurde, kamen weitere Probleme auf. Finanziell ging es uns recht gut, da wir aber bereits sieben Kinder waren, meinte das türkische Konsulat,dass das Haus zu klein für eine neunk?pfige Familie sei.Mein Bruder werde seinen Pass nur dann erhalten, wenn wir das Haus ausbauen oder uns ein gr??eres Haus leis-ten. Unsere Nachbarin war mit dem Ausbau nicht einver-standen, obwohl es sich für sie nur um Millimeter gehan-delt h?tte. Also kauften wir ein gro?es Haus und zogen 1991 um. Wir gerieten zum ersten Mal in Deutschland in ernsthafte Schulden. In Miete wohnen konnten wir nicht,denn es war nicht leicht mit sieben Kindern eine Wohnung in geeigneter Gr??e zu finden. Durch die finanzielle Unter-stützung meiner Brüder gelang es meinem Vater, die Schulden unter Kontrolle zu bekommen.Heute kommt die Familie besser klar. Meine Mutter mach-te trotz Schreib- und Leseschwierigkeiten ihren Führer-schein. Einige der Kinder haben bereits ihre Ausbildung hinter sich und sind zum Teil sogar selbstst?ndig.Natürlich gibt es Probleme innerhalb der Familie heute noch. Kinder ausl?ndischer Herkunft haben gro?e Proble-me damit, sich auf irgendeine Weise zu identifizieren. Sie leben zwischen zwei verschiedenen Kulturen und Religio-nen und besitzen zudem zwei gegens?tzliche Lebensein-stellungen. Ein Spagat zwischen zwei Welten sozusagen.Für Eltern war es selbstverst?ndlich, dass ihre Kinder die eigene Kultur und vor allem die Religion übernehmen. Da-bei konnten sich viele nicht mit den traditionellen Werten identifizieren. Dies führte zu Streitf?llen und Meinungsver-schiedenheiten in der Familie. Viele ausl?ndische Jugend-liche wollen genauso leben wie ihre deutschen Altersge-nossen, das hei?t abends ausgehen und sich mit Freun-den amüsieren. Das blieb vor allem türkischen M?dchen untersagt. In dieser Hinsicht hatten es die ersten Kinder der Familie am schwersten. Es gibt jedoch immer mehr Eltern, die lernen, ihren Kindern mehr Freiheiten zu lassen,so auch meine Eltern. Ich finde, man sollte nie versuchen, sich zwischen der einen oder anderen Kultur zu entscheiden. Besser ist es,beide miteinander zu verbinden, um so für sich das Beste

3Güllü ?zmen geb. 1982 in Laupheim, Abitur 2002 am

Pestalozzi-Gymnasium in Biberach.

Seit 1995 ist sie Stipendiatin der Markelstiftung

Stuttgart. Die Stiftung vergibt seit 1985 Stipen-dien und Ausbildungsbeihilfen an begabte

Jugendliche aus der ausl?ndischen Wohnbev?lkerung Baden-Württembergs.

?

?A l s o a b n a

c h D e u t s c h l a n d

4Svetlana Efimova ihr Mann, ihre Tochter auf der Reise von Samara nach Deutschland in Moskau kurz vor der Abfahrt des Zuges, 1996

A m 26. November 1996 sind wir in Deutschland

angekommen. Das Erste, was uns im Kopf schwirrt: Wir sind auf einem anderen Planeten gelandet. Alles war fremd: Architektur, Leute, Sprache, sogar der Himmel und die Sonne sahen ganz anders aus. Jeder Anfang ist schwierig, und wir waren keine Ausnahme.

Aber zuerst meine Vorgeschichte. Ich bin russische Jüdin und komme aus der Stadt Samara in Russland. 1992 er-fuhren wir, dass die deutsche Regierung russische Juden im Rahmen der Kontingentflüchtlinge nach Deutschland eingeladen hat. Wir haben viel über die deutsche Ge-schichte gelesen, meine Eltern haben die deutsche Spra-che gelernt, ich habe Deutsch in der Schule und auf der Universit?t gelernt und konnte gut übersetzen. Trotzdem fiel uns die Entscheidung sehr schwer. Ich war verheira-tet, unsere Tochter war vier Jahre alt. Die Heimat zu verlassen, wenn man schon 30 Jahre alt ist, mit einem kleinen Kind in die Ungewissheit, ist nicht so einfach. Das Einzige, was uns in der deutschen Botschaft in Moskau versprochen wurde, war ein Zimmer in einem Wohnheim und ein sechsmonatiger Sprachkurs. Eines Tages haben wir uns entschieden. Wir, ich und mein Mann, haben die Universit?t absolviert und waren Physiker von Beruf. ?Mit der guten Ausbildung haben wir eine gute Chance? – so waren unsere Hoffnungen. In Deutschland sind wir mit vier Taschen angekommen, zwei davon waren voll mit russischen Büchern, eine mit dem Spielzeug unserer Tochter.

Als wir nach der Einwanderung wieder zu ?uns selbst gekommen? waren, haben wir erkannt, dass es in Deutschland viele Tausende von Ausl?ndern gibt. Die Wirklichkeit war ganz anders, als wir uns sie vorgestellt haben. Die erste Schwierigkeit: die Sprache. Es gibt sehr viele Dialekte und sie haben uns trotz unserer Kenntnisse der deutschen Sprache durcheinander gebracht. Die Sprachkurse waren sehr gemischt organisiert, einige Teilnehmer konnten überhaupt kein Wort Deutsch, die anderen haben flie?end gesprochen. Die sechs Monate sind so schnell wie in einem Flug vorbeigegangen, wir wurden sicherer, hatten aber noch Schwierigkeiten bei den Unterhaltungen. Wenn ich mich jetzt daran erinnere, hatten wir vor unserer Ausreise keine Ahnung, wie man hier in Deutschland lebt. Viele Kleinigkeiten, über die andere sich keine Gedanken gemacht haben, waren für uns manchmal unl?sbar. Und wir konnten nirgendwo die Antworten finden, nur durch eigene Fehler und Erfahrungen. Jeden Tag standen wir unter Stress. Ich finde es sehr schade, dass so wenig

M?glichkeiten für die Integration der Zuwanderer vorhan-den sind. Die andere Schwierigkeit: das Misstrauen der deutschen Arbeitgeber gegenüber russischen Arbeitneh-mern. Natürlich ist es sehr schwer, die für einen Arbeitge-ber passenden Personen herauszufiltern. Es ist jedoch paradox, wenn einerseits russische Fachkr?fte als hoch-gebildet gesch?tzt, andererseits aber die eigenen, manchmal weniger qualifizierten Arbeitskr?fte bevorzugt werden. Als Folge davon verlieren beide Seiten. Mit der Zeit gehen die Fachkenntnisse verloren, die Unterneh-men beklagen einen Mangel an hochqualifizierten Arbeit-nehmern. So war das auch bei uns. Unsere Diplome wur-den anerkannt, aber die Suche nach der Arbeit war er-folglos. Ohne deutsche Papiere, deutsche Zeugnisse ging es einfach nicht. Wir versuchten immer optimistisch zu bleiben. Inzwischen habe ich eine Stelle als Bügelfrau gefunden. Erst als mein Mann hier eine Umschulung gemacht und deutsche Zeugnisse ?in der Hand hatte?, konnte er eine Stelle als Softwareingenieur finden. Jetzt, vier Jahre nach der Einwanderung, fühlen wir uns hier wohl, wir sind nicht entt?uscht, dass wir unser Leben um 180 Grad drehen mussten, nur unsere Sprache fehlt uns ein bi?chen. Zuhause sprechen wir Russisch und haben eine gro?e Bibliothek mit russischen Büchern. Unsere Tochter spricht und schreibt in zwei Sprachen. Unser Leben hat sich stabilisiert. Wir haben viele nette Leute kennen gelernt, die mit Tat und Rat immer für uns da sind. Natürlich l?uft noch nicht alles glatt, aber:

??E s i s t n i e z u s p?t,e i n

n e u e s L e b

e n a n z u

f a n

g e n

Schwarzw?lder Bote, 7./8. April 2001

J ETTINGEN (ba). Beide wurden im Oktober 1923

in Gro?scheuern n?rdlich von Hermannstadt in

Siebenbürgen geboren. Sie kannten sich von Kin-

desbeinen an und besuchten die gleiche Schule.

Doch ehe sie als Paar zusammenkamen, waren

einige Wirren zu bestehen. Morgen feiern Katharina

und Michael Guist ihre goldene Hochzeit.Katharina Grau wurde unter fünf Geschwistern in

eine Landwirtschaft hineingeboren, ebenso wie

Michael Guist, der der ?lteste von vier Brüdern und

einer Schwester war. W?hrend Katharina Grau zu

Hause aushalf, dann w?hrend des Krieges nach

Russland verschleppt wurde, um dort Zwangsarbeit

zu leisten, durchlief Michael Guist eine ganze Reihe

von Stationen.

Er hatte gerade die Fahrschule beendet, um sich in

der Kfz-Branche zu orientieren, da wurde er für den

Kriegsdienst eingezogen.

In Tabor/Tschechien geriet Michael Guist in russi-

sche Gefangenschaft, konnte aber als Zweitletzter

von insgesamt 375 Amnestierten am Jahrestag des

russischen Einmarsches in Rum?nien freikommen.

Dem jungen Mann half seine Liebe zur Musik weiter

auf dem Weg. In Heltau suchte er sich Arbeit in einer

Textilfabrik und engagierte sich gleichzeitig dafür, die

dortige Blasmusikkapelle wieder aufzubauen, die

nach dem Krieg verwaist war.

Wer bereit war, Musik zu machen, bekam auch Ar-

beit in der Textilfabrik. Weil Michael Guist, der neben

Trompete auch Flügelhorn blies, sich nicht im Ar-

beitslager bei Kronstadt gemeldet, sondern selbst

Arbeit gesucht hatte, wurde er zweimal verhaftet

und musste für mehrere Monate ins Gef?ngnis.Als seine sp?tere Frau 1948 aus Russland zurück-kam, war er noch in Haft. Die Bauersfamilien im Dorf, inzwischen von den Rum?nen enteignet,mussten sich als Tagel?hner und Stra?enbauarbei-ter verdingen; auch Katharina Grau wurde Tage-l?hnerin. Doch am 8. April 1951 l?uteten die Hoch-zeitsglocken – geheiratet wurde in der traditionellen Siebenbürger Tracht.Sein ehemaliger Vorgesetzter aus der Prager Zeit wohnte inzwischen in München und wollte Michael Guist an Sohnes Statt aufnehmen. Mehrere Antr?ge des jungen Paares auf Aussiedlung wurden abge-lehnt, doch 1984klappte die Ausreise nach Deutsch-land endlich, denn die ?lteste Tochter hatte im Ur-laub am Schwarzen Meer einen Deutschen kennen gelernt, der ihr half, die Familie aus Rum?nien aus-zusiedeln. Die musikalische Tradition der v?terlichen Familie hat sich auch bei den Kindern des Jubelpaa-res fortgesetzt. Der ?lteste Sohn ist Musiklehrer.Wenn die Familie, zu der zwei T?chter, zwei S?hne und acht Enkel geh?ren, sich zum Fest trifft, wird sicher auch der Jettinger Fanfarenzug aufspielen.Denn auch in seiner neuen Heimat ist Michael Guist musikalisch aktiv, auch in der Ausbildung von Musi-kern des Zuges. W?hrend er auf beinahe 70 Jahre Musikerleben zurückblicken kann, sind für Katharina Guist N?hen, Backen, Handarbeiten und die Deko-ration des H?uschens ein gro?es Hobby.

5

Katharina und Michael Guist

feiern Goldene Hochzeit ?

?50 J a h r e i n F r e u d u n d L e i d :

D i e I n t e g r a t i o n d e r O s t f l üc h t l i n g e

D

triebenen aus dem Osten folgte vor allem drei Routen: Die Mehr-zahl der Ostpreu?en landete in Schleswig-Holstein, die Sudeten-deutschen und Schlesier kamen mehrheitlich nach Bayern, und die Pommern, M?rker und Niederschlesier gelangten meis-tens auf dem Weg über Berlin nach Mittel- oder Nordwest-deutschland.Südwesten lingsstr?men zun?chst weitge-hend unberührt, da dieser Lan-desteil abseits der oben skizzier-ten Fluchtrouten lag. Erst etwa ein Jahr nach Kriegsende begann allm?hlich eine vorsichtige Um-verteilung, denn die Aufnahmege-biete von 1945 konnten unm?g-lich alle Flüchtlinge unterbringen und in den Wirtschaftsprozess eingliedern.Dementsprechend dr?ngten Gro?britannien Deutsche Flüchtlinge und Vertriebene 1945-1950

sowie ihr prozentualer Anteil an der Bev?lkerung 1950

Vor allem in den bislang konfessionell recht homogenen Ge-

bieten beispielsweise Südbadens kamen Konfessionsunter-

schiede erschwerend hinzu. Viele Flüchtlinge komplizierten

das Problem noch zus?tzlich dadurch, dass sie gerne ihr Le-

ben in der alten Heimat in lichten Farben malten, ihr jetziges

Leben aber um so düsterer darstellten und wohl auch so

F e i n d e–

G e g e n s p i e l e r–F r e u n d e:Deutsche und Franzosen

im Südwesten

n

i n

Am Tag darauf riefen die Gewerkschaften Württemberg-

Hohenzollerns zum Generalstreik auf. Im Grunde geht es

beim Demontagenkonflikt um ein Tauziehen um erweiter-

te politische Kompetenzen der deutschen Institutionen.

Der Auftakt ist dramatisch. Am Morgen des 13. August

1948 wird Gebhard Müller in Bebenhausen vom Landtag

zum Staatspr?sidenten gew?hlt, am Nachmittag begibt er sich ins Tübinger Justizpalais in der Doblerstra?e, dem

heutigen Landgerichtsgeb?ude am ?sterberg, und macht

Gouverneur Widmer seine Aufwartung. Dieser begegnet

ihm mit unverhohlener Ablehnung, hatte er in ihm doch

einen ungleich hartn?ckigeren Widersacher vor sich als in

dessen Amtsvorg?ngern Leonhard Bock und Carlo

Schmid. Seit Ende Juli 1948 leitete die Milit?rregierung in

Baden-Baden eine Wende in der Besatzungspolitik ein,

deren volle Durchsetzung sich jedoch bis zum Frühjahr

1949 hinzog. Nach und nach lockerte sich der reglemen-

tierende Zugriff auf die deutsche Gesetzgebungs- und

Verwaltungsarbeit sowie die weitgehende Abschnürung

der franz?sischen Zone. In Gebhard Müllers Schilderung

des Tages seiner Wahl zum Regierungschef hei?t es:

?Dann fuhr ich noch in der sp?ten Nacht [des 13. Au-

gust 1948] nach Ludwigsburg, um meiner Frau scho-

nend die Wahl zum neuen Amte beizubringen, und be-

gab mich andern Tages zur Erholung von schwerer Er-

sch?pfung nach Bad Ditzenbach. Dort [in der amerika-

nischen Zone] besuchte mich Staatspr?sident Wohleb

[Regierungschef der Freiburger Regierung von Baden].

Wir vereinbarten, da? auch er zurücktrete. Dann aber

begann eine systematische Aktion zur Aufkl?rung der

?ffentlichkeit. W?hrend die Zeitungen des eigenen

Landes zum Schweigen verurteilt waren, erschienen in

der Presse der Bundesrepublik, vor allem in den Stutt-

garter Zeitungen [...] Artikel über Artikel, welche die

Entwicklung und die Zust?nde in Württemberg-Ho-

henzollern schilderten und Abhilfe forderten. [...] Die

Bemühungen waren von vollem Erfolge begleitet. Als

ich von Ditzenbach zurückkehrte, war die Wendung

eingetreten. Mit Oktober 1948 h?rten die Lebensmitte-

lentnahmen auf, die Demontagen wurden zum gr??ten

Teil gestoppt [im Frühjahr 1949], die Verhandlungen

wurden auf v?llig ver?nderter Grundlage und Einstel-

lung geführt.?

In: Gebhard Müller. Architekt des Landes, 2000, S. 58 ff.

Briefmarke der

franz?sischen

Besatzungszone

mit dem badischen

Wappen

Briefmarke der

franz?sischen

Besatzungszone

mit dem

württembergischen

Wappen

Charles de Gaulle, Staatspr?sident von Frankreich, Rede zur Jugend in Ludwigsburg, 9. September 1962 (in deutscher Sprache gehaltene Rede) :

G a r n i s o n s s t a d t

1945-1992 Tüb i n g e n

westens, die bis zur Fusion von SWF und SDR 1998 die

Besatzungszeit widerspiegelte: Südwestfunk für Südwürt-

temberg, Südbaden und die Pfalz, Radio Stuttgart bezie-

hungsweise SDR für Nordwürttemberg und Nordbaden. Widerst?nde und Ressentiments bei den ?Besetzten?wurzelten allerdings tief. Das lag nicht nur an den ein-schneidenden Ma?nahmen der franz?sischen Milit?rver-waltung, den Demontagen, den ?Verschleppungen? ar-beitsf?higer M?nner nach Frankreich, sondern auch am festgefügten Bild vom ?Erbfeind Frankreich?, das bis weit in die Gro?v?tergeneration zurückreichte. Ein Blick über die amerikanisch-franz?sische Zonengrenze, die nur mit Sondergenehmigungen zu passieren war (s. Dokument S. 18), zeigt, dass auch dort die Vorurteile noch immer ?deutschtümelten?.W?hrend Frankreich im besetzten Deutschland selbstver-st?ndlich, wenn auch widerwillig, als gro?e Kulturnation anerkannt wurde, hatten die amerikanischen Kulturoffizie-re der Information Control Division (ICD) in der amerikani-

Universit?tsstadt Tübingen dominierten Franz?sische Wohnh?user

in der Südstadt

Die Mansardenzimmer waren bis

in die 70er Jahre bei Studentinnen

begehrt.

Anstatt Miete zu bezahlen mussten

sie die Kinder der Offiziersfamilien

betreuen und bei gesellschaftlichen

Anl?ssen als Bedienung aufwarten.

Warum die Deutschen Humphrey Bogart in

?Der Malteser Falke?, dem ersten Hollywoodfilm

in württembergisch-badischen Kinos 1945,

nicht sehen wollten:

?Die deutsche Propaganda hat w?hrend des Krieges

betont, Amerika sei unter anderem ein Land der Gangs-

ter. Dieser Film zeigt, wie der Hauptdarsteller die

Autorit?t der Polizei vorführt. Die Hauptdarstellerin spielt

eine Figur aus der Unterwelt. Es finden drei Morde statt.

Und die Polizei ist nicht in der Lage, die Verbrecher zu

verhaften?.

Wochenbericht der Milit?rregierung Nord-Baden vom

10.11.1945, zit. nach: Ulrich Bausch, in: Stuttgarter

Zeitung, 30. Juli 1992, S. 27

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